Es geht um Großbritannien. Aber nein, ich möchte hier nicht die unsäglichen Proteste und gewaltsamen Krawalle in UK kommentieren, die aufgrund eines brutalen Verbrechens, falscher Berichte/Interpretationen und übertrieben verstandenem Nationalismus dieser Tage unsere Medien erreichen.

Ich möchte davon schreiben, dass mein persönlicher Blick auf „die Insel“ mich verzaubert und mutiger gemacht hat. Die letzten 16 Tage waren von einer wunderschönen Rundreise durch England, Wales und Schottland geprägt. Meine 16-jährige Tochter und ich haben mit mehr als 4.000 km im Wagen und jeweils rund 200.000 Schritten einen tollen Einblick in ein wunderbares und historisch bedeutsames Land gewinnen können, das sich oft ganz anders dargestellt hat als sein Ruf bei uns ist.

Jetzt könnte ich versuchen, mit einer kurzen Synopse Großbritannien und Deutschland miteinander zu vergleichen, das wäre aber ungerecht und ich bei Weitem nicht qualifiziert genug. Da ich aber schon an anderer Stelle (z.B. bei LinkedIn) über die Kleinigkeiten des Alltages gesprochen habe, die ich vermisse und die in Deutschland mittlerweile so sträflich vernachlässigt werden, schreibe ich hier die Dinge auf, für die ich das Vereinigte Königreich bewundere und die mich bestärkt haben, auch weiterhin dafür zu sorgen, dass wir unsere guten Tugenden nicht vergessen oder absichtlich vernachlässigen.

Was macht UK aus?

Es wird nicht gedrängelt. Man stellt sich brav an, lining up oder ab in die Queue. Einer nach dem Anderen, so wie die Leute angekommen sind. Nicht nach persönlicher Drängelmasse und Dreistigkeit.

Es ist sauber. Denn ständig ist jemand da, der Straßen, Plätze, Toiletten und Mülleimer entsorgt und reinigt. Der größte Unterschied wird deutlich, wenn man die dortigen Autobahn-Toiletten mit der „Sanifair-Mxxxa“ in Deutschland (1 Euro!) vergleicht. Toiletten kosten nie Geld, sie sind ein Grundbedürfnis.

Es ist höflich. Kein „hoppla, jetzt komm‘ ich“. Nein: Die Worte „sorry“, „excuse me“, „after you“, „how are you today“, „pardon“ werden häufig und ehrlich eingesetzt. Jeder (!) lässt einem Vortritt bzw. verständigt sich über die Reihenfolge, keiner setzt seine Fahrt/seinen Gang mit breiten Schultern fort, sondern stoppt sofort auf und achtet auf den Anderen. Das gilt insbesondere für den Straßenverkehr. Der natürlich auch überwiegend frei von 0,5-Tonner Lasten-Fahrrad-Extremisten und E-Rollern ist.

Es ist achtsam. Leute sehen sich, grüßen sich, beachten sich, wertschätzen sich. Wir sind mit so vielen netten Menschen ins Gespräch gekommen und haben dabei einen tollen Einblick in die Gesellschaft erhalten und ja, inklusive der Bürgerinnen und Bürger, die offensichtlich einen Migrationshintergrund haben, aber in das Erwerbsleben und die Sprache/Kultur ihres neuen Heimatlandes integriert sind.

Es ist genügsam. Die Menschen wirken glücklich und motiviert auch ohne Reichtum und sind stolz auf ihren alten Land Rover, ihren Border Collie, ihre eine schwarze viel zu kurz gebundene Krawatte und ihre Schafherde. Sie sitzen im Pub und unterhalten sich interessiert sowie kultiviert und sind stolz auf ihr Land sowie ihre Geschichte. Natürlich spielt Churchill dabei immer eine wichtige Rolle und motiviert auch heute noch, keep calm and carry on.

Es ist „british, not broken“. Ein bisschen Shabby Chic hier und da und eine Work-Around-Betriebsanleitung sind doch besser als Dauerbaustellen und Überperfektion, die keiner mehr versteht und für die sich keine Handwerker-Auszubildenden mehr finden.

Ich weiß, es gibt auch ein „anderes Großbritannien“, aber mir geht es um das „take away“.

Deshalb nehme ich das oben Geschriebene und werde versuchen, es (frei nach den Kardinaltugenden von Platon, ich berichtete), weiter in meinem Verhalten zu verinnerlichen und das Gute, was wir in Deutschland auf der Haben-Seite (noch) besitzen, damit zu verknüpfen.

In diesem Sinne: Schulterblick gelungen, wunderbarer Urlaub, tolle Erfahrungen und jetzt zurück an die Arbeit. Ich freue mich auf viele neue Gespräche mit Ihnen.